Frankenthal im Sommer 2009. Ich sitze in meinem Arbeitszimmer und arbeite am Computer, als mich plötzlich ein vertrauter Geruch umgibt. Nein, kein Schweißgeruch.
Es riecht süßlich mit leicht verkohlter Note.
Ein hastiger Blick aus dem Fenster, der mit einem Schmerz des Schädels belohnt wird, weil ich mir den Kopf am gekippten Dachfenster stoße, offenbart aufsteigenden Rauch in weißgelber Färbung. Mein Blick wandert auf die andere Straßenseite, wo schon eine Traube unersättlicher Gaffer darauf wartet, dass gleich mehr passieren könnte.
Ich rufe unvermittelt die Feuerwehr. Mache kurz Angaben zu dem was ich sehe und wenig später ist das erste Einsatzfahrzeug da.
Nun entsteht ein kleines Spektakel von Gaffern, die immer mehr werden. Die Gier nach Belanglosigkeit, lässt sie wie dressierte Affen ausharren.
Ich weiß, wo das Feuer herkommt. Mr. X ist kein Unbekannter.
Er tanzt gerne nackig den Butzemann auf dem Balkon und sein Blick, wenn er deine Augen trifft, lässt dich in ihm den Psychopathen erkennen. So, wie Du ihn gerne sehen möchtest.
Ich mag ihn, trotzdem. Zugegeben, er ist mir etwas unheimlich, aber damit kann ich umgehen.
Kürzlich klingelte er an meiner Tür und wollte Geld haben, um sich was zu essen kaufen zu können. Gegeben habe ich ihm nichts.
Ich meine mich zu erinnern, er käme aus Kasachstan. Sein rollendes „r“ kann er nicht verstecken. Meine paar Brocken Russisch mag er wohl. Sein Vater wohnt ein paar Häuser weiter.
Wenn er durch den Hausflur ging, dann war das auch noch Minuten, nachdem er das Haus verlassen hat, zu merken.
Wenn ein Mensch sein Revier mit Schweißgeruch markieren könnte, dann er.
Die Feuerwehrmänner und ich treffen uns auf dem Geschoß, wo seine Wohnung liegt. Links neben der Treppe.
Der junge Mann, mit dem ich ein paar Worte wechsle, steht in voller Montur vor mir.
Er klopft nun an die Tür. Keine Regung jenseits der braunen Holztür. Er intensiviert das Klopfen, was nun schon einem deutlichen Wummern nah kommt. Es regt sich nichts.
Er brüllt nun, ob da jemand wäre. Da ist wohl niemand, denn niemand antwortet. Stille. Kein Geräusch.
Ich rege an, dass man die Tür einfach eintreten solle.
Der Feuerwehrmann blickt zu seinem Kumpanen und dieser gibt wohl ein mir nicht erkennbares „go“.
Er stellt sich mit dem Rücken zu Wand, holt kurz Luft und stürmt auf die Tür los, wie ein Stier in der Manege.
Kurz vor der Tür hebt er das rechte Bein in einen Winkel von 90 Grad und stemmt seinen, vom Stiefel geschützten Fuß, in die Tür.
Rums! Die Tür bewegt sich keinen Zentimeter.
In Hollywood sieht das immer so leicht aus, sage ich….
Der nette Herr der Feuerwehr blickt mich mürrisch an und startet den zweiten Versuch…
Jawoll! Die Tür kracht nun gewaltig und hebt sich mit aller Wucht aus den Türzargen ‒ direkt in das Gesicht von Mr. X.
Dieser steht nun nackt mit einer Platzwunde am Schädel in der Tür, schaut treu doof vor sich hin und fragt in ruhigem Ton: Warum haben Sie nicht geklopft?
Ich muss so lachen. Sorry Leute. Ja ich weiß, es ist nicht zum Lachen. Aber das rollende „R“, sein Gesichtsausdruck und das nackte Grauen. Er hat wohl die ganze Zeit hinter der Tür gestanden ‒ sein ganzes Auftreten lässt keine andere Möglichkeit zu.
Der nette Mann von der Feuerwehr stürmt an ihm vorbei in das Zimmer, während sein Partner sich des Mr. X annimmt.
Es stellt sich heraus, dass er der gute Mann eingeschlafen war und sein Essen angebrannt ist. Das führte zu der erheblichen Rauchentwicklung…
Kurze Zeit später ist die Tür notdürftet repariert und die Feuerwehr zieht von dannen.
Die Gaffer aber harren aus…
Chapeau,
Sehr pointiert. Momentum genau erfasst.
Grüße
Spamworm
Hey Spamwworm,
danke ! 🙂
Das Du das sagst, hebt das Ganze natürlich auf ein ganz anders Niveau.
Vadim
Mein lieber Freund! Herrlich auf den Punkt gebracht die Sensationslust der Leute (Gaffer) um ihrem selbstgemachtem grauen Alltag für das Momentum zu entfliehen! Und das gut gewürzt mit der passenden Prise Humor! Köstlich!
Hallo Ally,
vielen Dank für deinen Kommentar 🙂
Es wird Zeit mein Freund, dass wir uns mal wieder sehen und uns austauschen können…
Great! Ich schließe mich den Vorschreibern an! 🙂 Weiter so!