Greti traf ich im Mai 2016 in Legoland.
Ich bestelle mir Abends ein Bier an der Bar, die unweit des Strandes liegt, und blickte etwas sehnsüchtig in den Sonnenuntergang, der langsam, aber stetig an Intensität gewinnt.
Eine bunte Kulisse. Links neben mir ein kleiner Strand mit Strandkörben. Kinder, die Sandburgen bauen, oder die Klettermöglichkeiten nutzen, die der Park bereit stellt.
Sie entschuldigt sich, dass das Bier so lange dauern würde, weil es so schäumt. So lange es kalt ist, ist alles ok, sag ich. Sie lächelt beruhigt.
Das Bier ist kalt. Schnell trinken und ab, keine Chance.
Der Dialekt der Frau an Bar hat die typische Ostblockfärbung mit einem rollendem R.
Auf meine Frage, ob Sie aus Russland kommt, lacht sie und erwidert, wie ich darauf kommen würde. Ich antworte: ihr Dialekt würde das vermuten lassen.
Aus Russland komme Sie nicht, sagt sie. Aber die Richtung Stimme.
Rumänien wäre die Heimat fügt Sie kurz darauf hinzu.
Auf meine Frage, ob sie denn Nicolae Ceaușescu als Staatspräsident erlebt hätte, nimmt diese Geschichte ihren Lauf.
Sie beginnt den nächsten Satz einleitend mit: Geschichte, alles Rauch.
Gerade 18 Jahre alt war Sie 1989, als die rumänische Revolution beginnend mit Demonstrationen, Unruhen und blutigen Kämpfen stattfand. Sie führte zum Sturz und zur Hinrichtung Nicolae Ceaușescu und zum Ende des realsozialistischen Systems in Rumänien.
Ob ich ein Reporter bin, will sie wissen. Ich muss schmunzeln.
Ich mag Menschen und ihre Geschichten, sag ich. Auf meine Frage, ob ich ein Foto von ihr machen könne, lächelt sie in meine Kamera.
Das Licht der untergehenden Sonne schimmert auf ihren roten Haaren.
Sie wurde Teil der Revolution und wurde mehrfach inhaftiert und gefoltert, wie sie erzählt.
Von den 1104 Toten und 3352 verwundeten, hat Sie einige nicht wiedergesehen, die Sie zu ihren Freunden zählte.
Ihr Bruder war damals schon 38 und zählt heute zu den kritischen Stimmen im Volk, der aber wenig Gehör findet. Victor Păun schreibt bis heute Bücher, die sich intensiv mit der Geschichte Rumäniens auseinandersetzten.
Auf meine Frage, was Sie dazu bewegt hätte, nach Deutschland zu kommen, hält sie kurz inne und sagt, dass Sie neu anfangen wollte.
Seit 1993 ist Sie in Deutschland. Ihren Sohn hat Sie in Deutschland zur Welt gebracht. Eine solide Ausbildung hat er, sagt Sie. Erst eine Ausbildung bei der Sparkasse und nun ist er gerade dabei das
Touristikstudium zu beenden.
Hat er denn Rumänien oft besucht, frage ich.
Sie schaut mich an und sagt, dass er mit Rumänien nichts anfangen könne. Ihre Sorgen liegen nicht in Rumänien. Da hätte sich nichts geändert. Ihr Job finanziert dem Sohn das Studium.
Sie wäre bekümmert vom dem Drama der Familien. Die Eltern, oder wenigstens ein Elternteil ist in Deutschland oder wo auch immer arbeiten um die Familie zu unterstützen, während die Kinder ihre Eltern bräuchten.
So sind es die Großeltern, die sie auf das Leben vorbereiten.
Ob Sie denn mal zurück will, frage ich Sie. Sie scheint kurz inne zu halten, poliert mit ihrem Lappen die Zapfanlage und erwidert dann aber schnell, mit einem klaren ja.
Auf meine Frage, warum Sie in ein System zurück will, was Sie in der Hoffnung auf Besserung verlassen hat und sich selbst eingestehen muss, dass nichts wirklich besser ist, lächelt sie und sagt: Heimatverbundenheit lässt Sie darauf hoffen eines Tages zurück zu kommen.
Mein Bier ist alle. Ich verabschiede mich und laufe in Richtung Bungalo.
Geschichte, alles Rauch, denk ich.
Interessante Geschichte.
Hallo, ich kenne Sie. Danke für den wertvollen Beitrag.
Grüße
Dragan